fat-lobyte hat geschrieben:oder ob nicht vielleicht nur die Wahrnehmung der älteren Generation verschoben ist.
Ich gehöre ja quasi schon zur... "älteren Generation" (Widerspruch erwünscht) und kenne "die Jugend von heute" (TM) ja auch.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: die Wahrnehmung verschiebt sich nicht. Aber sie ist eingeschränkt. Während ich als Jugendlicher wusste, wer ich bin und zu welcher Gruppe Jugendlicher ich zugehöre, so war ich vermutlich für die meisten Erwachsenen teilweise auch auffällig.
Ich bin Teil "der Jugend von Gestern".
In der Schule habe ich nie mehr getan als gerade notwendig und die Realschule habe ich wohl auch nur in 6 Jahren geschafft, weil mein Klassenlehrer auf 3-4 Versetzungskonferenzen erklärt hat, dass ich aus pädagogischen Gründen nicht sitzen bleibe, weil es von den Noten her eine Gratwanderung war. Man hätte wohl so oder so entscheiden können und mir kam auch zu Ohren, dass genug Lehrer für meine Nicht-Versetzung gestimmt haben. Ich kann mich allerdings auch nicht erinnern, dass meine Eltern sich mit mir hingesetzt hätten und mir Spaß am Lernen vermittelt hätten. Hausaufgaben muss man halt machen, also weg den Dreck und fertig. Oder halt am nächsten Tag vor der Schule abschreiben...
Als Kind habe ich mir einen großen Edding gekauft und bin durch die Straßen gezogen und habe auf meinem Weg alles bemalt, bis wir zu einem Spielplatz kamen mit einer großen (bis dahin) weißen Mauer.
Meine Mutter tauchte auf und ließ einen Brüll, als sie mich da die Mauer bemalen sah. In dem Moment kam mir erstmals der Gedanke, dass das vielleicht nicht die allerbeste Idee meines bisher kurzen Lebens war, denn meine Mutter sah in dem Moment so aus, als würde es auch nicht mehr lange gehen...
In der 6. Klasse hatte ich 2 Stunden pro Woche, die sich zum Nachsitzen eigneten. In meinen besten Zeiten war ich auf vier Wochen im Voraus ausgebucht. Wenn ein Lehrer mich zu einer Stunde Nachsitzen verdonnerte, war das eine Lachnummer, wenn ich die Terminabsprache abkürzen wollte und so Anfang des Monats schon sagte, dass ich diesen Monat keine Termine mehr frei hätte...
Insgesamt gingen drei Scheiben in der Realschulzeit auf meine "Kosten". Eine davon musste ich, bzw. die Versicherung, bezahlen. Eine war laut Lehrer schon beschädigt und bei einer wurde ich nicht erwischt... ^^
Ich habe noch einen Brief von meinem Direktor an meine Eltern mit erforderlichen unterstrichenen Erziehungsmaßen.
Ich habe als Jugendlicher zusammen mit anderen einen Klassenkameraden anderen aus einer Parallelklasse in eine (Papier)Mülltonne gepackt. Ich habe ihn nicht reingetan, aber den Deckel zugemacht als er drin war. Ich habe die anderen aber eben auch nicht davon abgehalten. War'n Jux, ich seh es heute auch nicht als soooo schlimm an, aber für den Jungen in der Tonne war es vermutlich nicht die angenehmste Erfahrung. Ein Lehrer lief Amok - "Der hätte ersticken können!" usw... (fast leerer Papierkontainer, er war maximal eine Minute drin) Wir drei wurden später von unserem Klassenlehrer aus der Klasse geführt und einzeln gefragt, ob wir dabei waren. Wir waren alle dabei, die beiden anderen sagten, dass sie nicht beteiligt waren, ich sagte, ich habe den Deckel zugemacht.
Entsprechend erhielt ich eine Strafe, die beiden anderen nicht.
Meine Chemielehrerin in der Realschule bezeichnete mich bei meiner Mutter mal als "Perlen vor die Säue geworfen". In der Zeit, während ich mein Abitur hätte machen sollen, hat man mich regelmäßig beim Billard angetroffen. Ich hatte in Englisch in der 12. Klasse 0 Punkte auf dem Zeugnis - und das auch dann, wenn man beide Zeugnisse der 12. Klasse addierte.
Am Ende der 10. Klasse meinte er zu mir, dass er sich freut, dass aus mir jemand geworden ist, mit dem man anständig reden kann.
Ich denke, ich habe eine normale Realschulzeit hinter mir - oder wie sieht die Jugend von heute das?
Meine Englischkenntnisse habe ich mir nach der Schule durch englische DVDs aufgebessert.
Kinder und Jugendliche machen Mist, ohne darüber nachzudenken. Das kommt irgendwann. In einem Umfeld, wo man als Kind sieht, dass Bücher nicht beißen, dass man in einer Argumentation mit Argumenten Aufmerksamkeit und Anerkennung erlangen kann, setzen sich sinnvolle Prioritäten von ganz alleine. Dafür muss es aber auch erstmal eine fair geführte Argumentation geben. Die Jugend ist immer das Resultat der "Jugend von Gestern". Das sehen viele Erwachsene aber nicht - oder wollen es nicht. Dann sind halt
die da schuld, diese Jugend von heute.
Als Erwachsener vergisst man das gerne mal, dass man selbst damals auch die "Jugend von heute" war. Jugendliche machen heute teilweise andere Fehler. Teilweise sind heute aber auch Fehler einer ganz anderen Wertigkeit erst möglich. Ich musste mit 18 meinen Dispokredit von 200 DM begründen, als ob ich vorhätte mich mit diesem Vermögen ins Ausland abzusetzen. 100 Euro Schulden macht man heute, wenn man beim Händi nicht die Tastensperre einschaltet und es versehentlich in der Hosentasche die falsche Nummer anruft.
Ein Bekannter von mir hat sich so mal eben binnen kurzer auf 3000 Euro Schulden vertelefoniert. Das hätte mir gar nicht passieren können, denn ein Händi gab's für mich zu der Zeit nicht.
Aus meiner Perspektive sieht man zu oft die Fehler die einzelne machen. Komasaufen, Schulden, Bildungsverweigerung.
Die Masse der Jugend, die sich bemüht einen anständigen Weg zu gehen, fällt im Alltag ja gar nicht mehr auf. Sind ja alles anständige Leute. Die werden entsprechend nicht so stark wahrgenommen, die sind ja wie Du und ich... mit denen kann man ja was anfangen, die meint man ja gar nicht, wenn man von "der Jugend von heute" spricht...
Diese Wahrnehmungsverschiebung hätte man bei proggen.org genauso: Es ist nicht damit zu rechnen, dass bei proggen.org der Bildungsverweigerer auftritt. Holt man sich sein Bild von der "Jugend von heute" bei proggen.org, so müsste sie hochqualifiziert und intelligent sein, was für die Allgemeinheit genauso wenig stimmt.
Merke: Wer Ordnung hellt ist nicht zwangsläufig eine Leuchte.
Ich beantworte keine generellen Programmierfragen per PN oder Mail. Dafür ist das Forum da.